„Weißt du noch im letzten Jahr? …Ein Sonnenstrahl und er war da. Weißt du noch?“ (Edward Reekers: So schmeckt der Sommer. In: Langnese-Werbung 1994)
Und summen Sie gerade auch schon mit? Denn so beginnt der einprägsame Songtext einer Eiswerbung aus dem Jahr 1994. Dieser hat sich bei mir – wie so manch andere Kindheitserinnerung, die für mich zum Sommer fest dazugehört – tief im Gehör, im Gedächtnis und im Herz verankert. Wenn ich den Song heute höre, denke ich unter anderem an Nachmittage im Freibad unseres Nachbarortes und den Kiosk dort.
Gerne möchte ich Ihnen aber von zwei meiner Sommererinnerungen erzählen, die ich – anders als die Erinnerung an die Eiswerbung – nicht automatisch mit Millionen Menschen gemein habe. Im Garten meines Eltern- und Großelternhauses standen entlang des Gartenzauns circa 15 Johannisbeer- und Stachelbeersträucher.
Als Kind war es für mich schon ganz klein immer eine Riesenfreude die einzelnen roten Beeren zuerst im Pinzettengriff direkt in den Mund zu befördern und später mit Oma, Mama und Tanten zusammen auch in Eimer zu pflücken, um daraus Marmelade zu kochen.
Zugegeben, die Freude war da nicht immer auf allen Seiten gleich groß. Als ich mit etwa drei Jahren aus eigenem Antrieb heraus das ganze Prozedere „selber“ schaffen wollte – wie ich auch immer wieder betont habe – auch dann noch als der Eimer mit den gepflückten Johannisbeeren bereits das dritte Mal ausgeleert zunächst im Gras, schließlich nach längerem Einsammeln im Kiesel und zuletzt – da zermatscht – auf der Kehrschaufel gelandet ist, war die Stimmung weniger freudig.
Aber ich erinnere mich so gerne an das Pflücken, Naschen und Kochen der Johannisbeeren zurück. Der herrliche süßsaure Geschmack, mein roter Naschschnabel, der Duft der gekochten Marmelade und das Probieren des abgeschöpften Schaums aus dem extra Schüsselchen. Mmmh, herrlich!
Umso mehr freue ich mich, dass seit zwei Jahren in unserem Garten auch Johannisbeersträucher wachsen und ich meine Kinder dabei beobachten kann, wie sie in jeder freien Minute schauen, ob da schon was zum Naschen reif ist.
Und können Sie sich vorstellen, dass das erste Johannisbeergelee aus den eigenen Johannisbeeren einfach noch intensiver nach Sommer schmeckte?
So sehr ich diese jedes Jahr im Sommer neu aufgehenden Kindheitserinnerungen liebe, wenn sie beim Riechen, Schmecken und Spüren wiederaufleben, umso wichtiger ist es mir, diese Erfahrung auch an meine Kinder weiterzugeben und so nicht nur mir, sondern auch einer neuen Generation den Geschmack von Sommer zu bewahren.
Eine zweite Erinnerung ist das „Strolchen“ in der Windach. Direkt hinter unserem Haus fließt ein kleiner Fluss vorbei, die Windach. Wenn es im Sommer warm genug war, um mit den Füßen hineinzusteigen, dann gab es für uns Kinder nichts Schöneres als entlang der Windach und im Flusslauf die nähere und weitere Umgebung zu erkunden. Wir nannten es Strolchen.
Auszuprobieren, wie weit wir gehen können, bis uns das Wasser bis zur Hose reicht. Zu sehen, wie sich mit der Strömung der Bachlauf verschoben hat und wo neue Gumpen entstanden waren, tief genug, um darin zu baden. Staudämme zu bauen und zu schauen, was die Windach alles angespült hatte.
Die wunderbare Abkühlung und das Abenteuer zogen uns magisch an die Windach.
Wenn ich meinen 5-jährigen Sohn an einem heißen Tag frage, was er gerne machen will, dann antwortet er nach zwei Jahren intensiver Strolcherfahrungen: „Strolchen“ gehen.
Dann fahren wir mit dem Rad zum hier nicht ganz so nahe gelegenen Bach und können dort Stunden mit den Füßen im Wasser verbringen. Das kühle Nass spüren, die Sonne wärmend auf dem Rücken, Steine anfassen, die ganz glitschig sind und andere, die rundgeschliffen wurden. Das Wasser plätschern hören und dem Singen der Vögel lauschen an einem Ort, wo Autolärm und andere Geräusche weit weg sind, und den ganz besonderen Duft von Wasser und Wärme einatmen.
So ist der Sommer für mich mehr als eine Jahreszeit, so wird Sommer für mich erlebbar. So wird Sommer fühlbar, riechbar, schmeck- und hörbar. So bleiben meine Erinnerungen nicht einfach gut gehütet in einem Fotoalbum, so werden sie lebendig und schaffen neue Erlebnisse und verdichten sich zu Erfahrungen. So ist nicht Sommer, so wird Sommer, immer wieder neu.
Und wie sieht es bei Ihnen aus? Wie schmeckt Ihr Sommer? Oder wie fühlt er sich an? Welchen Duft oder welches Lied verbinden Sie mit dem Sommer? Welche Erinnerungen weckt der Sommer in Ihnen? Und was möchten Sie gerne in diesem Sommer erleben?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude beim Nachspüren in den eigenen Erinnerungen und einen lebendigen Sommer 2024. Vielleicht wollen Sie ja Ihre Erinnerungen an den Kindersommer auch gerne mit jemandem teilen?
Anna Lottes, Pastoralreferentin in der Altenseelsorge