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Generationen-Gerechtigkeit

Christsein ist mehr als ein im Taufregister eingeschriebenes Mitglied einer Kirche zu sein. Christsein bedeutet Jünger Jesu sein, ihm nachfolgen. Wer sich müht, sein Leben immer neu von Jesu Geist inspirieren zu lassen, muss jedoch damit rechnen, in Widerspruch zu geraten zu dem, was ‘man’ tut und was ‘man’ für wichtig und richtig hält. Das ist nicht immer leicht, weil die Werte, die in unseren Gesellschaften ganz oben stehen, nicht immer auch die Werte sind, die Jesus uns ans Herz legt, um glücklich zu werden. In Jesu Vision einer menschenfreundlichen Gesellschaft sind weder Ellenbogentypen noch Powerfrauen, sondern einfache, warmherzige und tatkräftig idealistische Menschen gefragt.

Mt 5, 1 – 12a

Wann fühlt man sich glücklich? Für die meisten gehören dazu vor allem: gesund und erfolgreich zu sein, das Leben genießen zu können und von anderen geliebt zu werden. Umgekehrt würde das dann heißen: wer arm ist, krank oder einsam, muss ein unglücklicher Mensch sein. Das jedenfalls wird uns auch täglich in der Werbung vor Augen geführt: Glücklich sind die Schönen und Reichen, die Attraktiven und Selbstbewussten.

Im heutigen Evangelium dagegen haben wir etwas ganz Anderes gehört. Jesus spricht ausgerechnet dort vom Glück, wo die Glücksforschung es kaum ansiedeln würde: bei denen, die all das nicht haben, was andere genießen: Er nennt die Armen, die Traurigen, diejenigen, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen, und die, die beschimpft und verfolgt werden. Gerade denen wird hier verheißen, dass sie glücklich sein werden. Jesus redet sie mit „Selig seid ihr“ an – und diese „Seligpreisung“ bedeutet nichts anderes als tiefes Glück, tiefe Erfüllung.

Das aber stellt alles auf den Kopf, was die meisten Menschen glauben und was sie sich erhoffen.

Besonders deutlich wird das an der 4. Seligpreisung, wo es heißt: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.“

Wer von uns hungert und dürstet nach Gerechtigkeit? Antwort: Jede und jeder, denen es nicht egal ist, wie es der nächsten und übernächsten Generation auf dieser unserer Erde ergehen wird. Sie kennen gewiss den Begriff Generationen-Gerechtigkeit! Wir wissen alle, wie wir Menschen in den letzten Jahrzehnten unsere Erde ausgebeutet und verschmutzt haben. Die Vorzeichen sind unübersehbar: Klimawandel, Artensterben, Dürren, Fluten, verseuchte Meere, globaler Wassermangel. Krieg in Syrien, Mali, Mexiko, im Jemen und, ja, in Europa. Millionen Menschen, die nur überleben können, wenn sie ihre Heimat verlassen. Inflation, Hungersnöte.

Bereits vor 8 Jahren veröffentlichte Papst Franziskus seine sogenannte Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ über die Sorge für das gemeinsame Haus. Die Sorge für die Schöpfung braucht Sichtbarkeit, davon ist er überzeugt.

Natürlich ist es von größter Bedeutung, wenn wir durch die Pflanzung von Obstbäumen oder Hecken den Erhalt einer reichen Biodiversität unterstützen oder durch Effizienzmaßnahmen Energieverbräuche bei der Heizung einsparen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

In unserer heutigen Situation braucht die Gesellschaft aber mehr, nämlich so glaubhafte wie zahlreiche Zeugen der Botschaft Jesu. Der Teil der Botschaft des Evangeliums, auf den der Hl. Franziskus von Assisi großen Wert gelegt hat, ist das fürsorgliche und rücksichtsvolle Zusammenleben aller Mitgeschöpfe. Und dieses schließt Tiere, Pflanzen und nicht zuletzt unsere Nächsten mit ein. Glieder der einen Menschheitsfamilie sind dabei alle Menschen weltweit. Auch die Menschen kommender Generationen sind eingeschlossen. Daher der Begriff Generationen-Gerechtigkeit. „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.“

Die Sorge um die Zukunft unserer Erde, die immer auch in Gottes Händen geborgen ist, braucht gesamtgesellschaftliche Anstrengungen. Sie braucht uns als Kirche und verantwortungsvolle Gebäude-Eigentümerin sowie die Stimme unserer Verkündigung in guten, verlässlichen Worten. Gleichzeitig braucht es aber auch Taten einzelner Menschen, die als „Leuchttürme“ dazu einladen, Verantwortung für die uns anvertraute Welt zu übernehmen. Zurzeit sehen wir viel von Klimaaktivistinnen und –aktivisten, die sich z.B. mitten auf einer vielbefahrenen Straße festkleben. Das ist nicht unser Weg. Unser Weg ist aber der von Lobbyisten für die Schöpfung! Das heißt, Partei zu ergreifen, selbst in Umwelt und Natur anzupacken, das Ganze im Blick zu behalten, sich selbst immer wieder zu überprüfen und langfristig für die Bewahrung der Schöpfung weiter­zuarbeiten. Daher danke ich unserem Eschenloher-Umwelt-Team, das sich schon vor Monaten auf den Weg gemacht hat.

Im Sommer schauen viele von uns gerne in den Garten, in dem es üppig wächst und blüht – Blumen, Gemüse, Beeren, Kräuter, ja, auch Unkraut. Schmetterlinge flattern von Blüte zu Blüte, Bienen fliegen eifrig herum. Daran können wir uns erfreuen und das Essbare genießen. Wir schauen auf die Wiese, die Weide für das Vieh, hier wächst Futtervorrat für den Winter. Dahinter der Wald, Lebensraum für viele Tiere, Sauerstoffspender, Holzlieferant. Und die Felder, mit Getreide, Kartoffeln – die Nahrungsgrundlage für uns Menschen. Im Sommer die Fülle, im Winter die Ruhe, im Frühling die Hoffnung auf das Neue, was heranwächst, im Herbst die Ernte. Alles das sind Spuren von Gottes Versprechen vor Tausenden von Jahren. Diese Schöpfung ist sehr gut gelungen! Alles ist perfekt. Tiefe Harmonie erfüllt die Schöpfung Gottes von Anfang an. Was für ein Projekt, das hier in kürzester Form beschrieben wird: Weltall – Erde – Flora – Fauna – und dann die Menschen als Mann und Frau, die in dieser Schöpfung gut versorgt sind.

Was für einen Lebensraum hat Gott für uns gestaltet, in dem wir leben dürfen! Er ist gut, ja, sehr gut! Der Blick ins All, der Blick durch ein Mikroskop, der Blick auf eine herrliche Landschaft … lehrt uns Staunen, Staunen, Staunen!

Danke Gott, dass du dich an den Bund gehalten hast, den du Noach im Blick auf den Regenbogen versprochen hast. Vergib, wo wir die Erde nicht genug achten, wo wir deiner Schöpfung schaden. Hilf uns, uns zu ändern.

Amen.